Wandertipp
Jubiläumsroute "25 Jahre wilder Sihlwald"
Seit einem Vierteljahrhundert darf sich der Sihlwald frei entwickeln. Für interessierte Besucherinnen und Besucher hat die Stiftung Wildnispark Zürich eine Jubiläumsroute zusammengestellt, auf der sich die hier entstehende Wildnis gut erkunden lässt. Illustrierte PDFs des Wandertipps zum Download.
Mit der Postautolinie 240 geht es auf den Albispass in Langnau am Albis. Auf der Hochwachtstrasse führt die Route Richtung Albis Hochwacht/Sihlbrugg.
Nach wenigen hundert Metern weist ein Schild darauf hin, dass nun der Wildnispark Zürich beginnt. Links eröffnet sich ein toller Panoramablick auf Zürich, Zürichsee, Sihltal und Alpen.
Ein Paradies für Spechte
Rechterhand beginnt der Wald. Auf der ganzen Wanderroute gibt es Baumstämme mit Spechtlöchern zu entdecken. Die hoch gelegenen, runden Löcher stammen meist vom Buntspecht, die bodennahen, ovalen vom Schwarzspecht. Die Höhlen werden später auch von höhlenbrütenden Vögeln, Fledermäusen und Siebenschläfern genutzt.
Kurz darauf führt der Weg an der ehemaligen Kiesgrube «Albisboden» vorbei. Den Kies verwendete man für den Bau der Waldstrassen. Später wurde hier auf Initiative des Naturschutzvereins Sihltal ein Teich angelegt. Heute bietet diese kleine Naturschutzoase Lebensraum für Amphibien und lichtbedürftige Pflanzen. Schmetterlinge finden ein gutes Nektarangebot. Die Sihlwald-Ranger mähen das Gebiet jährlich und sorgen dafür, dass es nicht zuwächst.
Die Fichte verabschiedet sich
Bevor der Wanderweg in den Wald eindringt, erblickt man hangaufwärts die erste Gruppe abgestorbener Rottannen. Die Rottanne – auch Fichte genannt – ist im Schweizer Mittelland aufgrund des Klimawandels auf dem Rückzug. Natürlicherweise kommt sie in der Schweiz in höheren Lagen vor, wo es feucht und kühl ist. Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Attraktivität wurde sie weit über ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet hinaus auch im Mittelland angebaut.
Seit 2018 sind im Sihlwald rund ein Drittel aller Fichten abgestorben. Stürme, Hitze und Trockenheit setzen ihnen zu. Aktuell sind die geschwächten Bäume ein Schlaraffenland für den Borkenkäfer. Das wiederum kommt Vögeln und anderen Insekten zugute, die sich von den Käfern ernähren. Mittelfristig wird der Borkenkäfer wieder verschwinden – gemeinsam mit den Fichten – die natürliche Entwicklung nimmt ihren Lauf.
Sicherheitsvorkehrungen für Besucherinnen und Besucher
Kurz vor der Albisbodenhütte bietet sich ein seltsames Bild: Hier wurden geschwächte Fichten in der Mitte des Stammes gekappt. Diese Massnahme dient dem Schutz der Besucherinnen und Besucher.
Das Team des Wildnispark Zürich achtet sehr darauf, dass keine plötzlich umfallenden Bäume Menschen gefährden. Eine absolute Sicherheit gibt es in der Natur allerdings nie. Deshalb ist es wichtig, unterwegs Vorsicht walten zu lassen und nur bei geeignetem, ruhigem Wetter in den Wald zu gehen. Zudem sollte man nicht unter dürren oder schräg stehenden Bäumen stehen bleiben und nur bei markierten Picknickplätzen oder Feuerstellen rasten. Eine der rund 20 offiziellen Feuerstellen befindet sich direkt neben der Hütte.
Wer es gemütlich mag, geht weiter geradeaus auf dem breiten Wanderweg; wer es abenteuerlicher liebt, macht einen kurzen Abstecher nach rechts und folgt einem schmalen, nicht geräumten Pfad, der später wieder in die Hochwachtstrasse mündet.
Totes Holz: Lebensgrundlage für 6000 Arten
Was im Sihlwald auffällt: Im Unterschied zu anderen Wäldern liegen hier überall Baumstämme am Boden. Sie dürfen langsam verrotten. Einzig die Wanderwege und Strassen werden regelmässig geräumt.
Das Totholz ist wichtig für die Biodiversität. Rund ein Viertel aller im Wald lebenden Arten sind auf Alt- bzw. Totholz angewiesen. In der Schweiz sind dies etwa 6000 Arten. Darunter rund 2500 Pilze, 1300 Käfer, 670 Flechten und 130 Schnecken – aber auch zahlreiche andere Insekten sowie einige Vögel, Kleinsäuger, Amphibien und Reptilien, denen alte und tote Stämme Bruthöhlen, Nahrung, Deckung oder ein feuchtes Milieu bieten.
Aussichtsturm und Burgruine
Schon bald zeigt sich der Aussichtsturm Albis-Hochwacht. 153 Stufen hoch, bietet er einen wunderschönen Ausblick über die Baumwipfel Richtung Zug, Zürich, Aargau und Alpen. Vom Aussichtsturm geht es weiter zur nördlichen Schnabellücke und von dort talabwärts Richtung Langnau-Gattikon. Wer Lust hat, macht via Gratweg noch einen Abstecher zur Ruine Schnabelburg, die früher von den Freiherren von Eschenbach bewohnt wurde.
Streng geschützte Kernzone
Der Abstieg auf dem Schnabelweg führt durch die streng geschützte Kernzone des Naturerlebnisparks. Hier hat die Natur Vorrang: Das Verlassen der Wege sowie das Pflücken von Pflanzen und Pilzen ist verboten. Besonders beeindruckend: Die Spuren des Erdrutschs von 2021. Hier zeigt sich eindrücklich, wie sich der Wald dynamisch entwickelt. Bereits spriessen wieder erste Büsche und zahlreiche Pionierpflanzen. Wo heute dank der Rutschung viel Licht auf den Boden gelangt, wird sich bald wieder ein geschlossener Jungwald bilden. Der natürliche, ungestörte Waldkreislauf lässt sich hier gut beobachten.
Historische Bedeutung des Sihlwalds
Der Sihlwald lieferte früher Brennholz für die Stadt Zürich. Heute ist er das grösste Naturwaldreservat des Mittellands. Ein Buchenmischwald, der sich seit 25 Jahren wieder in eine Wildnis verwandeln darf. Er zählt zu den zwanzig Schweizer Pärken von nationaler Bedeutung. 2010 hat er vom Bund das Label «Naturerlebnispark» verliehen bekommen. Mit einer Fläche von rund 11 km2 ist er also ein «Mini-Nationalpark», mitten im urbanen Ballungsraum zwischen Zürich und Zug. Der Mut zur Wildnis lohnt sich: Auch seltene Urwaldreliktarten, die auf naturnahe Waldstrukturen angewiesen sind, wurden im Sihlwald wiederentdeckt, so etwa der Kleine Kugel-Stutzkäfer.